Vor kurzem entstand ein kurzes Interview mit Nadja Riedel, Projektleiterin und Koordinatorin für das Projekt SPARCS im Referat Digitale Stadt und mit Annemarie Riemer vom Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie IMW. Dieses Interview möchten wir Ihnen nicht vorenthalten, Sie finden also nachfolgend die Verschriftlichung, welche auch auf der Seite des Fraunhofer-Zentrums (externer Link) zu finden ist.
Am 12. Dezember 2015 unterzeichneten 175 Länder das Pariser Abkommen, mit dem sie sich verpflichteten, den globalen Temperaturanstieg auf deutlich unter 2 Grad Celsius zu reduzieren, um die Auswirkungen des Klimawandels zu begrenzen. Städte gehörten zu den Hauptakteuren des Pariser Gipfels.
Im Projekt SPARCS demonstrieren sieben Städte, darunter die Stadt Leipzig, in rund 100 Einzelvorhaben, wie einzelne Gebäude, Blöcke oder Bezirke mit einem intelligenten Energiesystem zu einer nachhaltigen und klimaneutralen urbanen Zukunft beitragen können. Dabei nutzen sie den am Fraunhofer IMW von Annamaria Riemer, Leiterin der Gruppe Professionalisierung von Wissenstransferprozessen, und Jörg Kosinski, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Gruppe, erstellten methodischen Rahmen City Vision 2050. Die entwickelte Vorgehensweise unterstützt die Städte darin, ihre urbane Transformation und Energiewende langfristig auf das Ziel der Klimaneutralität auszurichten. Außerdem begleitet die Methodik andere beteiligte Städte bei der Pilot-Visionsentwicklung.
Im Gespräch erklären Nadja Riedel, Leiterin des Leipziger SPARCS-Konsortiums im Referat für Digitale Stadt der Stadt Leipzig, und Annamaria Riemer, was die City Vision Leipzig 2050 ist, und wie sie hilft, das Ziel der klimaneutralen Stadt zu erreichen.
Liebe Frau Riemer, was ist so neu und innovativ an der Entwicklung eines Zukunftsbilds?
Städte stehen vor großen Herausforderungen – heute mehr denn je. Deshalb braucht es Werkzeuge dafür, wie gemeinsam, selbstbestimmt, lokal und langfristig Vorstellungen über eine wünschenswerte Zukunft entstehen. Die City Vision 2050 bietet dafür einen methodischen Rahmen, einen Werkzeugkasten, den Städte nutzen können, um ihre Vorstellungen zu entwickeln.
Das Neue daran ist, dass es bisher kein ortsübergreifendes Set an Werkzeugen gab, um dieser Anforderung im europäischen Raum gerecht zu werden. Das Besondere ist zudem, dass die langfristige Ausrichtung (30 Jahre in die Zukunft) des Zukunftsbilds die Beteiligten anregt, weniger über die Frage zu sinnieren, wie genau das Ziel erreicht werden soll. Stattdessen ermöglicht der Prozess, dass – mit einem wünschenswerten Zukunftsbild im Kopf – auch gänzlich neue, aus heutiger Sicht vielleicht noch nicht realisierbare Ideen Beachtung finden.
Wir sind sehr froh darüber, dass wir den Pilotversuch mit der Stadt Leipzig, Referat Digitale Stadt, durchführen durften, um wertvolle Erfahrungen zu sammeln und sie zu Gunsten der weiteren sechs Städte weiterzuentwickeln.
Liebe Frau Riedel, wie möchte das Referat Digitale Stadt im Projekt SPARCS das ambitionierte Vorhaben Klimaneutralität in Leipzig erreichen?
Der SPARCS-Ansatz besteht darin, mittels digitaler Lösungen Vernetzung als eine Basis für ein klimaneutrales Energiesystem zu schaffen. Das Projekt SPARCS ist ein Pionierprojekt. Es bietet Raum zum Experimentieren. Das Projekt eröffnet die Möglichkeit, Einzellösungen auszuprobieren, welche sonst gegebenenfalls nicht oder erst in einigen Jahren getestet werden könnten.
Die Umsetzungsstrategie im Projekt SPARCS ist zunächst räumlich begrenzt. Wenn sich Maßnahmen im kleinen Rahmen als praktikabel und funktionierend herausstellen, dann können diese im größeren Rahmen repliziert werden. Bestenfalls entwickeln wir eine Blaupause und erreichen mit den gemachten Erfahrungen auf die Gesamtstadt skaliert die angestrebte Klimaneutralität.
Im Projekt SPARCS funktioniert das nur gemeinsam in einem Team aus interdisziplinären Partnern auf lokaler Ebene. Die Zusammenarbeit mit z. B. den Leipziger Stadtwerken und anderen Unternehmen im Projekt regt an, neue Lösungen zu finden, was letztlich Synergien schafft. Der internationale Austausch mit Fellow Cities und Lighthouse Cities auf europäischer Ebene ergänzt diesen gemeinsamen Lernprozess. Wir profitieren zudem von der engen Kooperation mit der Universität Leipzig im Bereich Energiemodellierung. Diese Erkenntnisse finden praktische Anwendung in der Umsetzung.
Liebe Frau Riedel, inwiefern hat sich die Entwicklung eines Zukunftsbilds als hilfreich für das Vorhaben herausgestellt?
Der Entwurf eines Zukunftsbilds ist eine Gruppenaufgabe, die für alle Beteiligten eher ungewöhnlich ist. Im Rahmen von SPARCS widmen wir uns konkreten Maßnahmen, um daraus möglicherweise Ableitungen für die zukünftige Quartiersplanung ableiten zu können. Aber besonders mit diesem umsetzungsorientierten Ansatz ist das Gruppenbewusstsein darüber, was wir damit eigentlich erreichen wollen und wie das in ferner Zukunft sein sollte, nicht immer an der Tagesordnung.
Mit dem Zukunftsbild aus der City Vision 2050 haben wir uns früh im Projekt die Zeit genommen, das weitentfernte, aber wichtigste Ziel in 2050 für uns vorab genauer zu bestimmen. Das ist hilfreich für das Projekt und für die Stadt, denn wir wissen jetzt genauer, wie sich jede SPARCS Einzelmaßnahme in unser Zukunftsbild eines klimaneutralen Leipzigs 2050 einfügen könnte. Das trägt für uns positiv dazu bei, dass wir als Team zielgerichteter das große Vorhaben Klimaneutralität verfolgen können.
Wir bauen auf dieses Ergebnis auf. Bei der Arbeit auf Stadtteilebene kann uns das Zukunftsbild City Vision Leipzig 2050 helfen Ableitungen und Vorannahmen zu treffen, wie die gemeinsame Zukunft aussehen kann.
Liebe Frau Riemer, wie können andere Städte vom methodischen Rahmen der City Vision 2050 profitieren?
Die City Vision 2050 ist eine Neuentwicklung, die im Projekt SPARCS explizit zur Nachahmung in den beteiligten Städten ausgelegt ist. Diese Städte nutzen das zur Verfügung gestellt Material und Beratungsgespräche, um ihre eigene City Vision 2050 zu erstellen. Sie profitieren direkt von den Erfahrungen, die in Leipzig gemacht wurden. Das Fraunhofer IMW stellt zudem eine angepasste Online-Variante bereit, welche die Visionsbildung auch Remote-Bedingungen ermöglicht.