Ein wichtiger und vor allem sichtbarer Projektbaustein von SPARCS auf der Baumwollspinnerei ist die Einrichtung von Parkplätzen für Elektroautos mit den dazugehörigen Ladesäulen. Während sich die Photovoltaikanlage auf einem Dach schwer einsehbar ist, ein neuer Stromspeicher in Technikräumen platziert wird und ein digitales Lastmanagementsystem im Hintergrund die energietechnischen Vorgänge aufeinander abstimmt, werden mit der Installation neuer Ladesäulen mehr Elektroautos das Bild des Geländes prägen. Was hingegen äußerlich auch hier nicht ersichtlich ist, ist eine innovative Ladetechnik, die mit einem Prototypensystem auf der Baumwollspinnerei erprobt wird: die Rede ist von bidirektionalem Laden. Was sich erstmal kompliziert anhört, ist es auch! Auch wenn das Ganze zunächst einem einfachen Prinzip folgt, nämlich, dass der Strom der Ladesäule nicht nur in eine Richtung in das Auto eingespeist wird, sondern auch in die andere Richtung aus dem Auto entladen werden kann. Das hat den Vorteil, dass das Auto in der Zeit, in der es absehbar nicht benötigt wird, als mobiler Stromspeicher genutzt werden kann, denn als Teil des Antriebsstranges besitzen E-Autos nichts anderes als große Batterien. Gerade wenn man es schaffen würde alle deutschen E-Autos, von denen es in Zukunft immer mehr geben wird, in so ein Konzept einzubinden entsteht ein riesiges Speicherpotenzial. Und Stromspeicher sind eines der großen und wichtigen Standbeine einer erfolgreichen Energiewende. Durch sie kann nämlich unregelmäßiger generierter regenerativer Strom aus bspw. Sonne und Wind bei fehlender Stromnachfrage zwischengespeichert und später genutzt werden. Das würde den Anteil kurzfristig verfügbarer fossiler Energie im deutschen Strommix weiter reduzieren.
Was aber in der Theorie zunächst sehr einfach klingt, stößt in der Praxis aber schnell auf Hindernisse. So ist es aktuell nicht möglich E-Autos mit der entsprechenden Technik zu finden. Denn für bidirektionale Ladeströme benötigen spezielle Technik, die aktuell nur in asiatischen Ländern serienmäßig verbreitet ist. Diese asiatischen E-Autos benötigen aber benötigen wiederum besondere Ladestecker, die nicht mit europäischen Standards kompatibel sind. Für das Konzept auf der Baumwollspinnerei lies sich BMW als Partner gewinnen, der als deutscher Hersteller aktuell erste Prototypen für diese Technik im realitätsnahen Betrieb testet. Der BMW i3 für diesen Testbetrieb steht bereits auf der Baumwollspinnerei und wird durch das Ingenieursbüro seecon als Betriebsfahrzeug genutzt und wurde Ende April installiert. Damit sind dann alle notwendigen Hardwarebestandteile des E-Mobilität-Hubs vor Ort zu sehen. Danach folgt dann ein weiterer, technisch anspruchsvoller Projektabschnitt, nämlich die Integration in eine übergeordnete Software, das so genannte Lastmanagement, die Energieströme auf dem Gelände der Baumwollspinnerei anhand von Sensordaten und Steuerungshierarchien in Echtzeit dorthin lenkt, wo sie gebraucht werden.
Neben dem Prototypensystem wurden im Rahmen von SPARCS aber bereits zwei Ladeboxen installiert, die zwar bidirektionales Ladevorgänge durchführen können, für die es nach aktuellem Stand der Technik keine passenden Autos gibt. Sobald sich das ändert, werden diese Ladepunkte auch für bidirektionales Laden verfügbar sein. Unidirektionale Ladevorgänge, also lediglich zum Aufladen der Autobatterie, sind hier aber bereits möglich und wurden schon erfolgreich durchgeführt, wie im Bild unten zu sehen ist. Diese ersten Ladevorgänge wiederum konnten auch schon erfolgreich in das Lastmanagement eingebunden werden. Das unten dargestellte Diagramm zeigt dabei im Vergleich einen Ladevorgang ohne Lastmanagement (grün) und einmal mit (grau). Deutlich wird hier, dass die benötigte Ladestrommenge ohne das Lastmanagement zu einer höheren Stromnachfrage insgesamt führt, während die graue Kurve eine durch die intelligente Umverteilung von Energieströmen geringere Stromnachfrage darstellt.
Bild: Die neue Ladesäule auf der Baumwollspinnerei mit zwei Ladeboxen für zunächst unidirektionale Ladevorgänge und der erste Test für die Praxis.
Bild: Lastgang von einem der ersten Ladevorgänge an der neuen Ladesäule.
Bild: Bidirektionale Ladesäule mit Prototypenfahrzeug von BMW.
Autor: Simon Baum